Wie sah ein Heerhaufen um 1500 aus und wie war er aufgebaut?
Oder, wenn Spießhaufen, dann warum?
Welche Funktion hat eigentlich eine größere Ansammlung von Spießträgern?

Eine Aufstellung aus dem Kriegsbuch von Philip Mönch 1496. (Cod. Pal. germ. 126; Heidelberg.)

Rennfähnlein

  • Trompeten
  • Armbrustschützen
  • Spießer
  • Alle Beritten

Vorhut

  • Berittene Armbrustschützen
  • Ersatz oder Hilfstruppen

Artillerie

  • Geschobene Kanonen

Haupthaufen

  • Spießer
  • Hellebardiere
  • Schützen

Artillerie

  • Geschobene Kanonen

Nachhut

  • Spießer

Rennfähnlein

  • Trompeter
  • Armbrustschützen
  • Spießer
  • Ersatz
  • Alle Beritten

Haupthaufen

  • Spießer
  • Hellebarden
  • Handbüchsenschützen

Artillerie

  • Gezogene Kanonen

Nachhut

  • Pfeifer und Trommler
  • Spießer

Cod. Pal. germ. 126: Philipp Mönch: Kriegsbuch (Heidelberg, 1496) Seite 42v

Cod. Pal. germ. 126: Philipp Mönch: Kriegsbuch (Heidelberg, 1496) Seite 43r

Hier ein Auszug einer Zugordnung für einen Heerzug aus dem Jahre 1519, aus dem Bayrischen Staatsarchiv, Äußeres Archiv Neuburg/Donau:

Vorhut Haupthaufen Nachhut
  • Rennhauff
  • Raisiger Hörhauff
  • Veldgeschütz
  • Fuoshauff jme vorzug
  • Raisiger gewaltiger Hauff
  • Gross geschütz vnd Arthlorey
  • Gewaltiger Fuoshauff einer
  • Trosser
  • Wägen
  • Der ander gewalltig Fuoshauff
  • Reisiger hörhauff
  • Fuoshauff Jme nachzug
  • Veldgeschütz
  • Reisig Jm nachzug

Die heutige Bezeichnung „Gewalthaufen“ kommt wahrscheinlich von den obigen „Raisiger gewaltiger Hauff“, „Gewaltiger Fuoshauff einer“ und „Der ander gewalltig Fuoshauff“, wieder mal eine Fehlinterpretation.

Noch eine Zugordnung, diesmal nach Philip von Seldeneck; um 1495. (Liegt in Karlsruhe.)

kommandostruktur1_kl

Daraus wird nun die folgende Formation gemacht.
Die mit „felenn“ bezeichneten Teile bestehen aus Spiesen.

kommandostruktur2_kl

Oder diese Formation:

kommandostruktur3_kl

Was will uns die Auflistung der unterschiedlichen Formationen sagen?

Wie man aus den beiden Auflistungen über eine Zugordnung ersehen kann, wurde die Marschordnung anscheinen immer gleich oder ähnlich aufgebaut: sei es im Freundes- oder Feindesland. So ist es wahrscheinlich, dass aus der Marsch-, oder Zugordnung schnell die Kampf-, sprich Angriffs- oder Verteidigungsordnung gemacht wurde, wie es auf den Zeichnungen im Kriegsbuch von Philip Mönch 1496 zu sehen ist.

Auf diesen Bildern ist auch zu sehen, dass in einem (nennen wir es) Heer, um 1500 der Langspieß am häufigsten zu sehen war. Der Spießhaufen war die Basis eines Heeres. Aus dieser Basis konnten einzelne Fähnlein, wie z. B. Verlorenes Fähnlein, Schützenfähnlein, Karrenbüchsen oder andere kleine Kampftruppen zu Einsätzen geschickt werden. Im Spießhaufen fanden Hellebardiere, Schützen, Fahnen, usw. Schutz vor gegnerischen Angriffen, sowohl im Igel, als auch im einfachen Gevierthaufen. Dass eine Schlachtordnung den örtlichen Gegebenheiten und Umständen angepasst war, ist keine Frage.

Wenn man Schweizer Rödellisten und deutsche Musterungslisten betrachtet, könnte ein Spießhaufen aus mehreren Fähnlein bestanden haben. Vielleicht wurden gemusterte Knechte aus einer Ortschaft, oder ein Stadtaufgebot unter ihrem Bürgermeister, Zunftmeister, Viertelmeister, usw., in einem kleinen Fähnlein zusammengefasst. Der soziale Zusammenhalt eines in der Heimat zusammengewachsenen Fähnleins sollte nicht außer Acht gelassen werden. Somit konnte ein Fähnlein aus vielen kleinen Fähnlein bestehen. Dies bestätigt auch Lavater in seinem Kriegsbuch.

Wie in den Seldeneck´schen Zeichnungen zu sehen ist, wird zwischen Banner und Fähnlein unterschieden.

Dass das Kommandieren eines Heeres vor 1600 anders geartet war, als nach 1600, ist belegt. Dies wird in dem Buch „Waffenhandlungen von den Rohren, Musquetten und Spießen“, von Jacob de Gheyn, das er für Prinz Moritz von Oranien verfasst hat, beschrieben (1606). Aber dies nur nebenbei bemerkt.

Dass die Kommandostruktur gegen Ende der Landsknechtszeit am besten ausgearbeitet war, entspricht der Tatsache. Aber dass die Knechte um 1500 ohne Sinn und Verstand in den Krieg gezogen sind, oder eine Kommandostruktur noch nicht entwickelt war, entbehrt jeder Logik und Vernunft. Da sprechen mindestens 80 Jahre Erfahrung am Langen Spieß dagegen. Die Hellebarde steht außer Diskussion, da sie bewiesener Maßen schon länger in Benutz ist. Dass ein Spießhaufen um 1500 nicht so richtig durchorganisiert und präzise agieren konnte, ist Schwachsinn. Jacob deGheyn schreibt, dass ihm die alten Befehle besser gefallen haben. Somit bestätigt er, dass es vorher schon eindeutige Befehle gab.

Nur weil man bisher nicht genau weiss, wie sie das gemacht haben, heißt es noch lange nicht, dass sie es nicht konnten. Wie gesagt, es sprechen mindestens 80 Jahre Krieg von wer oder was weis ich wer gegen wen dagegen. Wenn sie auch sonst nicht viel hatten, Zeit um Erfahrung zu sammeln, hatten die alten Knechte schon.

Durch meine regelmäßige Suche im Internet nach Digitalisaten von Handschriften oder Drucken aus dem 15. und 16. Jahrhundert, habe ich in der BSB einen Druck gefunden, der von Hanns Lohr (VD16 L 1474; Res/4 Mil.g. 92) für Sebastian Schärtlin von Burtenbach verfasst und 1569 gedruckt wurde. Zu dieser Zeit war Sebastian Schärtlin von Burtenbach anscheinend Obrister Feldhauptmann von Kaiser Ferdinand I., dem Nachfolger von Kaiser Karl V.

In diesem Büchlein wird ausdrücklich darauf hingewiesen dass eine Gevierte Ordnung für eine Schlacht unabdingbar war. Eine Gevierte Ordnung meint immer ein Quadrat. Er beschreibt auch die Triangelformation, sprich Keilformation und den Langen Feldzug. Er listet bei der Gevierten und bei der Triangel Ordnung von 50 Mann auf bis 50 000 Mann, wie viel in einem Glied stehen müssen, damit er mit so und soviel Mann eine quadratische oder dreieckige Ordnung bekommt, oder anders herum, bei so und soviel Mann kommen so und soviel in ein Glied.

Unter dem beschriebenen Langen Feldzug verstehe ich eine Marschordnung, wie sie bei Philip von Seldeneck (1495), Philip Mönch (1496) und dem Heerzug von 1519 beschrieben ist. Er beschreibt wenn 2, 3, 4, 5, 6, oder 7 Mann nebeneinander gehen, bei welcher Reihe man abbrechen muss, damit man eine Gevierte Ordnung herstellen kann.

Da bei einer Gevierten Ordnung meistens irgendwelche Leute übrig bleiben, wird aus diesen der/die Flügel gebildet.

Hanns Lohr schreibt auch, dass der Fähnrich zuständig ist, die Hellebardiere, Kurzwaffenträger und Spießer im Geviert zu ordnen. Bei anderen Autoren sind das der/die Waibel.

Die Triangel oder Keilformation wurde anscheinend am einfachsten aus einer Gevierten Ordnung erstellt. Wenn das Quadrat über die Diagonale in zwei Hälften geteilt wird, bekommt man zwei Dreiecke. Lohr schreibt auch, wenn man weniger Knechte zur Verfügung hat als der Gegner, soll man eine Keilformation erstellen und sich mit der Breite zur Front stellen, wie hier zu sehen ist.

Wie man aus den oben erwähnten Erkenntnissen ersehen kann, ist es unabdingbar dass die drei Waffengattungen, Spießer, Hellebardiere und Kurzwehren mit gleichen Formalkommandos kommandiert werden. Sprich: ein Glied ist die Breite und eine Reihe ist die Tiefe.

Christoph Hayd schrieb in seinem 1514 begonnenen Rezeptbuch; Cod.Pal.germ.670; auch etwas über "Knecht":

Jtem es stand 5000 knecht Jn ainer ordnung/

Jtem es stand 5000 knecht Jn ainer ordnung/
nun ist die frag wie fil der knecht zu ainem glid/
mißend stan das die ordnung als lang sey als/
breit sy ist.

Facit Es mißend 10 knecht Jn ainem/
glid stain das die ordnung als lang ist als/
brait sy ist vnd bleybend 100 knecht uber.

Wie hier zu sehen ist, wusste man schon um 1500 dass eine Geviertordnung quadratisch sein musste.