Zuerst in aller Kürze, wie es überhaupt zum Langspieß kam

Der lange Spieß war schon bei den Griechen und Römern in Gebrauch, bei letzteren war er zweiteilig. Wenn man es genau nimmt, war der Langspieß also nichts Neues.

Bereits zu Beginn des 13. Jhdt. unterschied man in Italien zwischen langen Spießen und den Einlegelanzen für Berittene. In der Schlacht von Moorgarten 1315 spielte der lange Spieß noch eine untergeordnete Rolle, dies änderte sich langsam bis 1422. Bei der Schlacht von Arbedo, also fast 100 Jahre später, tritt der Lange Spieß in größerer Zahl in Erscheinung.

In den Jahren 1449/50 stellte Nürnberg mit anderen Reichsstädten ein Heer gegen Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg auf. Daran waren auch um die 800 Schweizer Eidgenossen beteiligt. Der Zeitgenosse Hans Rosenplüt gedenkt mit seinem Gedicht der „Schweizer mit den langen Spießen“. Diese Äußerung belegt, dass diese Waffe bei den deutschen Fußknechten noch kaum vorhanden war und die Schweizer damit aufgefallen sind. Dass der Lange Spieß von den Schweizern zu uns gebracht wurde, steht außer Frage.

Durch Maximilian I. fand der Langspieß auch Einzug in die Turnierkunst.

Aus dem einen oder anderen schriftlichen Beleg ist zu lesen, dass anscheinend die Schweizer Knechte von deutschen Ausbildern und deutsche Knechte von Schweizer Ausbildern unterrichtet wurden. Frei nach dem Motto: Was gilt der Prediger im eigenen Land.

Wo und bei wem der Spießknecht letztendlich sein Handwerk gelernt hat, ist recht verschwommen. Aber dass er es nicht während eines Heerzuges so nebenbei lernen konnte, ist sicher. Dazu ist die sichere Handhabung des Langspießes zu zeitintensiv. Er musste es entweder als Freizeitbeschäftigung in einer Fechtvereinigung, die es überall landauf landab gab, von einem Fechtlehrer oder einem erfahrenen Landsknecht gelernt haben.

Altgediente Landsknechte, die es etwas ruhiger angehen wollten, ließen sich von Städten als Wächter anheuern und bildeten nebenbei, oder vielleicht auch offiziell, das zukünftige Mitglied eines Stadtaufgebotes, die Gesellen und Lehrlinge von Handwerkszünften an der Hellebarde und dem Langspieß aus.

Also bekamen die rät und burgern von Bern inen enent Bümplitz (Dorf, vier Kilometer westlich der Stadt Bern) wol mit vierhundert junger knaben, die alle weinen trugen, Spies, büchsen, armbrest und anders...“, so heißt es1475, als die Berner und Luzerner aus dem Waadt heimkehrten.

In unseren Tagen heißt es noch: Von der Pike auf gelernt. Falls man nicht mit edler Herkunft versehen war, dadurch auch kein Schwert besitzen und sich auch keinen persönlichen Fechtlehrer leisten konnte, musste man mit einer langen Holzstange seine militärische Laufbahn beginnen, so wie Sebastian Schärtlin von Burtenbach. Vielleicht war es aber auch angesagt, das Top Highlight, ein Spießer zu sein. Es gehörte auch beim Adel zum guten Ton, mit Namen wie Maximilian I.; Georg von Frundsberg; Lazarus von Schwendi; Marc Sittich von Embs und anderen Hochgeborenen in der ersten Reihe zu stehen und in der ersten Reihe trägt man nun mal einen Langen Spieß.
Es ist jedoch bemerkenswert, dass laut Schweizer Rödellisten meist die Landbevölkerung am Langspieß stand, weniger die Stadtbürger. Der Stadtbürger war meist mit der Hellebarde bewaffnet, der Bauer hingegen trug den Langen Spieß. Durch die landwirtschaftliche Arbeit war er vielleicht auch kräftiger, durchtrainiert als der Bürger und dadurch besser geeignet für das Fechten mit dem Langspieß.

Der Langspieß war zu Beginn seiner Ära die Angriffswaffe überhaupt

Anscheinend wurde er in der Zeit um 1500 mit drei Arten von Eisen versehen, dem Dullisen, dem Scherisen und dem Schafflinisen. Den ältesten Typ repräsentiert wahrscheinlich das Tülleneisen, das vermutlich identisch mit dem Froschmaul ist und wahrscheinlich ohne Federn war. Deshalb auch der Name Tülleneisen. Das Schereisen ist vermutlich die Salbei- oder Lindenblattform. Es ist mit Scheren = Federn ausgestattet und das Schafflinisen meint wohl den Schefflin, eigentlich ein hohl geschmiedetes Speereisen, das vermutlich in einer kleineren Form Verwendung am langen Spieß fand, wobei dieses Eisen anscheinend selten zur Anwendung kam. Aber zur Abklärung der Eisenfrage müsste ich die noch erhaltenen alten Spieße miteinender vergleichen.
Mit Zunahme der Handbüchsen, Arkebusen und Musketen wurde der Langspieß mehr und mehr zu einer Verteidigungswaffe degradiert und zum Untergang bestimmt. Die Anzahl der Hellebarden, verglichen mit den Langspießen im Heer, blieb im Verhältnis in etwa gleich.
Apropos Hellebarden, die alten Schweizer sahen ihre Hellebarde als Messer am Stiehl und nicht als langes Beil. Unter diesem Gesichtspunkt wurde sie auch im Kampf benutzt. Wie man weiß, haben sie sich mit dieser Technik auch lange durchgesetzt.

Der Langspieß war und ist keine zylindrische Gardinenstange, sondern eine durchdachte Kriegswaffe

Er wird in vier Abschnitte unterteilt, einem zylindrischen Abschnitt, zwei konischen Abschnitten und seinem Spießeisen. Der kürzere konische Abschnitt bildet das Ende des Langspießes, auf den längeren konischen Abschnitt wird das Spießeisen eingefasst und der zylindrische Teil ist der „Griff“.

Eingefasst meint, dass die Federn des Spieseisens nicht auf das Schaftholz genagelt sind, sondern vertieft eingearbeitet werden, damit die Federn nicht über das Holz herausstehen. Bei den Originalen die ich gesehen habe, sind die Federn vernietet.

Die Länge des Langspießes veränderte sich mit der Zeit

Sie lag zu Beginn um 3,8 m bis 4,5 m, bis gegen Ende von anscheinend bis zu 6 m. Zur Zeit des Langspießes war der Meter noch nicht erfunden, der Langspieß wurde in Schuh oder in Ellen gemessen. Aber das mit der Umrechnung von Ellen in Meter ist so eine Sache für sich: so viele Städte es im Reich gab, soviel unterschiedlich lange Ellen gab es.
Wenn wir die Länge eines Spießes in Schuh angeben kommen wir zum gleichen Ergebnis: ein „schuech“ hatte eine Länge zwischen 25 und 43 cm, ein Spies war zwischen 19 und 20 „schuech“ lang! Also war ein und derselbe 19 Schuh lange Langspies entweder 4,75 m, oder 8,17 m lang!

Mit den Kosten eines Langspießes geht es genau so weiter. Ein „lanng fueskhnecht Spies“ kostete entweder 15 Kreutzer oder 24 Pfennig oder 1 Gulden.

Ja was denn jetzt?

Die Reichsdeutsche Währungs-, Gewichts- und Längenmaßvielfalt, auf einen Nenner zu bringen ist eine Wissenschaft für sich.

Damit zu sehen ist, dass die Herstellung der Langspieße ein eigener Gewerbezweig war, hier noch ein paar Zahlen:

  • Zürich bezog seine Hauptbestände an Eschenholz aus dem Sihlwald südlich der Stadt, von alters her städtischer Besitz. In diesem Wald wurden schon vor 1336 Eiben für den Bogenbau und Eschen für den Spieß- und Hellebardenbau angepflanzt. „...10 S als ich den spiessmacheren Im silwald halff das holtzs suchen und die gespaltnen spiess abzelen.
  • Laut einem Vertrag vom 26. Juni 1537 mit der Innerösterreichischen Hofkammer sollten die Spießmacher Konrad Prell und Reter Lubistain 7000 19 bis 20 Schuech lange eschene Langspieße liefern.
  • Von den in Tannheim ansässigen Spießmachern Matthias Schelkhl, Hans Müller und Jakob Müller (Brüder) wurde am 9. Juni 1538 verlangt, dass die von ihnen herzustellenden 10.000 Langspieße mit Schäften aus Eschenholz versehen sein mussten.
  • Nach einem Vertrag vom 12. Mai 1541 mussten Lukas Mayr, Thoman Prutscher und Martin Has 5000 Langspieß von „gewonlicher vnnd gepreuchlicher“ Qualität zu 7 Kreuzer pro Stück liefern. Die Spießeisen dazu kosteten 3 Kreuzer pro Stück.

So wie sich die Länge des Langspießes verändert hat, so hat sich auch die Form des Spießeisens verändert. Das markanteste Spießeisen war die Froschmaulform, da die Forschungen die Müller – Hickeler um 1900 über den Langen Spieß angestellt haben, anscheinend überholt sind, möchte ich über den Wandel der Eisenformen in der Zeit nicht näher eingehen.

Der Langspieß wurde meist aus Eschenholz gefertigt

Wie ich aus Zeughausunterlagen aus Graz erfahren habe wurde er auch aus Fichtenholz hergestellt. Anscheinend wurde der Schaftrohling aus einem Stamm gespalten, getrocknet, gerichtet und polliert. Aus Schweizer Unterlagen geht hervor, dass „Wenn der Speck am Spiess blybe, so komme der Wurm daryn, sonst könne der Spiess mit Baumöl conserviert werden, wenn man bey heissem Sonnenscheyn denselben damit salbe“. Was übersetzt heißt: wenn die Rinde am Spieß bleibt, bekommt er Wurmfraß. Also kann man davon ausgehen, dass die Spieße auch aus dünnen, jungen Eschen gemacht wurden, indem man nach dem trocknen die Rinde entfernt und die entsprechende Form angehobelt hat.

Das Gewicht eines Langspießes liegt inklusive Spießeisen zwischen 2,5 und 3,5 Kg bei einem Eschenschaft. Wenn man bedenkt, dass so mancher heutige Katzbalger oder Eineinhalbhänder auch zwischen 2 – 3 Kg wiegt, ist das Ding mit seiner enormen Länge schon ein Leichtgewicht. Aber die Stoßkraft eines Spießes muss mit der Schlagkraft eines Schmiedehammers verglichen werden. Das Spießeisen kann noch so stumpf sein, es macht immer ein Loch. Ich denke, dass es die tschechischen oder polnischen Rüstungsteile, die zurzeit auf dem Markt sind, nicht mit einem Langspieß aufnehmen können.

Egal ob unser Spielkamerad eingedost ist oder nicht, immer fein aufpassen, dass man nirgends hängen bleibt.

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